Wie funktioniert Kirche ohne Pfarrer?
Niederrhein im Blick,
Niederrhein. Vor eineinhalb Jahren ist Ludwig Kamm pensioniert worden. Seitdem haben die beiden Pfarren St. Godehard und St. Cornelius keinen „eigenen" Pfarrer mehr im Ort. Was bedeutet das für das katholische Gemeindeleben in Tönisvorst? Eine Bestandsaufnahme.
Markus Spranzel vom Gemeindevorstand St. Cornelius St. Tönis findet, dass das die falsche Frage sei. „Es ist ja nicht so, dass wir keinen Pfarrer hätten", erklärt der 44-jährige. „Die beiden katholischen Tönisvorster Gemeinden gehören der GdG Kempen-Tönisvorst an und teilen sich mit St. Mariä Geburt und St. Hubertus die Pfarrer Thomas Eicker und Marc Kubella." Viele der Aufgaben, die Pfarrer Ludwig Kamm bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2017 übernommen habe, fielen nun in deren Bereich. Aber es sei natürlich richtig, dass die beiden Pfarrer eine Fülle von Aufgaben hätten und nicht in jeder der vier Gemeinden immer vor Ort sein könnten. „Deshalb haben wir die Gemeindevorstände gegründet", erklärt Christa Thomaßen, die dem Vorster Gemeindevorstand St. Godehard angehört. „Die Gemeindevorstände entlasten die Pfarrer in weltlichen Dingen, damit sie mehr Zeit für die Seelsorge haben", erklärt Markus Spranzel.
Seit eineinhalb Jahren gibt es die neuen Gremien in den katholischen Gemeinden. Sowohl in St. Tönis als auch in Vorst gehören die Pfarrsekretärin und eine Gemeindereferentin als hauptamtliche Kräfte dazu. Außerdem ist ein Vertreter aus dem Kirchenvorstand und zwei Mitglieder der Pfarreiräte dabei. In der ersten Zeit waren die Gemeindevorstände nach eigener Aussage damit beschäftigt, sich als neue Ansprechpartner für alle Belange des kirchlichen Lebens bei den Pfarreigruppen, Vereinen, kirchlichen Kindertagesstätten und der evangelischen Kirche vorzustellen, um Kontakte zu knüpfen, Wünsche und Ideen aufzunehmen und zu den Pfarrern, in den Kirchenvorstand oder den Pfarreirat zu tragen. „Besonders die Zusammenarbeit in der Ökumene hat neue Früchte getragen", sagt Anja Konieczny vom Gemeindevorstand St. Cornelius. So gebe es mittlerweile regelmäßige Arbeitstreffen zwischen den beiden evangelischen Pfarrern in St. Tönis und der katholischen Gemeindereferentin Stefanie Müller. Einige ökumenische Andachten seien bereits gemeinsam gefeiert worden, ein ökumenisches Sommerfest sei in Planung.
Die Vertreter beider Gemeindevorstände sind sich einig, dass die Änderungen auch eine Chance bedeuten können, weil Laien dadurch mehr Einfluss auf das kirchliche Gemeindeleben haben, neue Ideen einbringen und andere Wege gehen könnten.
Martin Dahmen vom Gemeindevorstand Vorst wertet es schon als Erfolg, dass das „Tagesgeschäft" weiter gehe und es 2018 nicht mehr Kirchenaustritte in Tönisvorst gegeben habe, als in den Jahren zuvor. In der Öffentlichkeit treten die Gemeindevorstände eher selten auf. „Wir sind das Bindeglied zwischen den einzelnen Gremien wie dem Kirchenvorstand oder dem Pfarreirat", erklärt Martin Dahmen.
Inge Bräuning, Pfarrsekretärin in Vorst, bringt es auf den Punkt: „Die Gemeindevorstände halten die Gemeinde zusammen." Außerdem haben die Gemeindevorstände die Arbeit der anderen Ehrenamtler im Blick und kümmern sich, wenn Hilfe gebraucht wird. So suchen die Vorster Mitglieder derzeit intensiv nach neuen Ehrenamtlern für die Kleidertruhe und planen, einen Caritaskreis für Bedürftige zu gründen. Wichtig sei den Gemeindevorständen, dass sie Menschen begeistern für die Kirche und dafür, sich in der Gemeinde einzubringen, betont Christa Thomaßen.
Die GdG
Etwa 28.000 Katholiken der Pfarreien St. Mariä Geburt Kempen, St. Hubertus St. Hubert, St. Godehard Vorst und St. Cornelius St. Tönis gehören seit 2010 der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen-Tönisvorst an. Leiter der GdG ist der Kempener Propst Dr. Thomas Eicker. Außerdem ist der Pfarrvikar Marc Kubella in der GdG tätig. Drei Subsidiare, also pensionierte Pfarrer, und fünf Gemeindereferentinnen gehören außerdem zum seelsorgerischen Team der GdG Kempen-Tönisvorst.