„Tüte aufblasen, Wunsch hineinflüstern und mit einem Knall frei lassen”

Niederrhein im Blick,

200 Tüten - für gute Wünsche und eine gesunde Umwelt. Von links: Janine Spoos vom Orgateam, 1. Vorsitzende Natalie Wilschrey, Schriftführerin Bianca Lötz.

Niederrhein. Zwischen 100 und 150 Millionen Euro jagen die Deutschen zum Jahreswechsel in die Luft. Dabei werden rund 4.500 Tonnen Feinstaub frei gesetzt, diese Menge entspricht in etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge und circa 2,25 Prozent.
Dafür dass dies in Kempen am diesjährigen Silvesterabend anders wird, setzen sich Richard Schwalbe, Mitinhaber von „die küche", und AZ-Medienverlagschef Adrian Zirwes ein. „Der Irrglaube, mit dem stinkenden Knall die bösen Geister zu vertreiben, erweckt heute in unserer zivilisierten Welt wohl die selben zum Leben - in Form von schlechter Luft und Müll", sagt Schwalbe. Und so war er Feuer und Flamme, als er auf die „Knalltüten" aufmerksam gemacht wurde, die auf dem Kempener Weihnachtsmarkt von der KG Shadows angeboten werden.
Janine Spoos vom Orgateam der Shadows: „Die KG Shadows hat immer mehrere Veranstaltungen im Jahr. Ein großes Highlight ist immer ein Stand auf dem Kempener Weihnachtsmarkt, wo wir mit Unterstützung der Eltern in kleinen Gruppen Ausgefallenes und mit Liebe Selbstgemachtes zum Verkauf herstellen und anbieten. Dieses Jahr haben wir u.a. unsere Knalltüten als Wunscherfüller". Die Knalltüten bestehen aus biologisch abbaubaren Materialen: eine Papiertüte, Konfetti und ein Strohhalm zum Aufpusten. „Tüte aufblasen, Wunsch hineinflüstern und ihn dann mit einem Knall frei lassen", heißt es in der "Bedienungsanleitung".
Schwalbe und Zirwes fanden die Knalltüten als Alternative zu Knallern so toll, dass sie eine große Menge davon für Silvester bestellten. Schwalbe: "Jeder der seine positive Energie in eine Papiertüte pustet, bekommt zum Dank von seinem Lebensraum Erde ebensolche reine und saubere Luft zum Atmen zurück!" In der kurzfristig hergerichteten Bastelstube wurde die KG Shadows aktiv. Angefangen von der Kindertanzgruppe mitsamt Eltern bis hin zum ältesten Mitglied wollten alle mithelfen. Janine Spoos: „Hier sah es aus wie nach einer gelungenen Karnevalsparty - über all Konfetti und Luftschlangen. Das war eine tolle Aktion".
Jetzt sind 200 Knalltüten fertig und warten bei "die küche" auf Menschen, die zu Silvester statt dicker Luft lieber frische Ideen mögen. Zusätzlich hat Richard Schwalbe noch 1000 Tüten von Manfred Oomen von der gleichnamigen Bäckerei auf Lager, der die Aktion gerne unterstützt. Mensch und Umwelt werden davon profitieren, sind sich die Initiatoren sicher. Denn das Einatmenvon Feinstaub gefährdet die menschliche Gesundheit. Die Wirkungen reichen von vorübergehenden Beeinträchtigungen der Atemwege über einen erhöhten Medikamentenbedarf bei Asthmatikern bis zu Atemwegserkrankungen und Herz- Kreislauf-Problemen. Besonders stark werden dadurch kleine Kinder, Senioren und Menschen mit chronischen Erkrankungen, vor allem der Lunge und des Herzkreislaufsystems, belastet. Die Deutsche Gesellschaft fü̈r Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ruft deshalb dazu auf, den Gebrauch von Feuerwerks-kö̈rpern zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Zudem landen jedes Jahr Menschen mit Verletzungen durch Feuerwerkskörper in der Notaufnahme – mit Verbrennungen oder Augenverletzungen bis hin zu dauerhaften Hörschäden. In Deutschland erleiden jährlich 8.000 Menschen zu Silvester Verletzungen des Innenohrs durch Feuerwerkskörper. Rund ein Drittel dieser Menschen behält bleibende Schäden, so eine Meldung im Deutschen Ärzteblatt.
Ein anderer Effekt der Knaller ist deutlich nachgewiesen: Feuerwerk erschreckt Tiere bis ins Mark. In einem Video des Naturschutzbundes NABU kann man eine Kohlmeise im Nistkasten dabei beobachten, wie sie bei jedem Knall zusammenzuckt. Laut Nabu berichten Ornithologen am 1. Januar regelmäßig von fluchtartig verlassenen Ruheplätzen und erkennbar verstörten Vogelschwärmen. Das sei im Winter besonders schlimm: Zu dieser Jahreszeit müssten die Vögel sich eigentlich ausruhen. Auch nach dem Knall machen die Raketen Tieren zu schaffen. Der Nabu spricht von einem „wissentlichen Vermüllen der Landschaft". Wenn die Plastikteile der Geschosse wieder unten angekommen sind und herumliegen, könnten Tiere sie mit Futter verwechseln: „Für jede Größe von Müll gibt es ein Tier, das so etwas für Nahrung hält", so der Nabu. Probleme macht nicht nur das, was wieder auf dem Boden landet, sondern auch das, was in der Luft bleibt: Wenn das Schwarzpulver in der Rakete verbrennt, entstehen Kohlendioxid, Schwefeldioxid sowie Ruß, der als Feinstaub in der Luft bleibt. Und so spricht eigentlich alles dafür, auf Raketen und Böller zu verzichten.
Richard Schwalbe jedenfalls freut sich über Unterstützung für die Aktion Knalltüte: „Das ist ein Anfang... Und eine Tüte voller Hoffnung...

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