St. Martin ist in Kempen etwas ganz Besonderes

Niederrhein im Blick,

Kempen. Vor dem Teilen wird gesammelt. Damit die beiden Kempener St. Martinszüge ziehen und die Kinder sich über ihre Bloese freuen können, braucht es - neben sehr vielen ehrenamtlichen Helfern - auch Geld. Rund 80.000 Euro hat der St.-Martin-Verein Kempen, der die Züge organisiert, letztes Jahr ausgegeben; davon entfielen 33.000 Euro auf die Fackelprämierung einschl. sozialer Zwecke für bedürftige Kinder der Kempener Schulen, berichtet Vorsitzender Rainer Hamm. Woher stammt das Geld? 160 Sammler engagieren sich dafür und laufen jedes Jahr im Herbst von Haustür zu Haustür und bitten um Spenden. NiB hat einige von ihnen  getrofKen. Und dabei Kempen-Typisch erfahren.


Zum Beispiel von Anne Claaßen, die seit sechs Jahren für den St.-Martin-Verein unterwegs ist - auf der Magdeburger Straße und auf dem Greifswald Weg und dieses Jahr neu am TZN und auf der Otto-Hahn-Str. 22. Wie hoch ist der Zeitaufwand für dieses Ehrenamt? „Wenn man zwei große Strassen  hat, dann sind das schon vier bis fünf Abende”, berichtet sie, „das TZN ist übersichtlich und das dauert dann zwei bis drei Stunden und auf der Otto-Hahn-Str. schätze  ich auch zwei bis drei Stunden.”
Viele Menschen sind skeptisch, wenn jemand an der Tür schellt, doch für die Martins-Sammler gilt das nicht. Anne Claaßen: „Ich kann mich bei meiner ersten Sammlung erinnern, da war ich noch ziemlich aufgeregt... dass die Leute fast vor meinem Klingeln die Tür geöffnet haben und sagten: „Da sind sie ja endlich, ich habe schon auf Sie gewartet”. Viele sammeln auch das ganze Jahr über in einem bestimmten Behälter, den sie mir dann geben. ...und manchmal, wenn es ganz usselig ist da draußen, bekommt man auch etwas „Kurzes" zu trinken angeboten”, erzählt sie lachend. Und typisch Kempen, wenn’s um St. Martin geht, ist "die Spendenbereitschaft unfassbar groß, daran sieht man, wie sehr dieses Brauchtum zu Kempen gehört und verankert ist.”


Das bestätigt auch Rolf Beckers. Wie lange er schon für den St.-Martin-Verein sammeln geht, weiß er gar nicht so genau. “30 bis 35 Jahre” und jeweils fünf bis sechs Stunden verteilt auf mehrere Tage, in der Engerstraße, wo er auch sein Ladengeschäft hat,  und am Propsteigarten. Seine Erfahrung aus vielen Jahren: “Die Spendenbereitschaft ist immer sehr groß, und es gibt Leute, die können es nicht erwarten, bis man sammeln kommt, und bringen einem schon im Voraus ihre Spende.”

“Die Menschen im Bezirk unterstützen die Sammlung auch aktiv: Manchen werfen in der Martinszeit Geld in einem Umschlag in den Briefkasten, manche kommen vorbei und bringen die Spende persönlich vorbei”, berichtet Uli Geub. Er sammelt immer im Bezirk 12 an der alten Berufsschule (Hugo-Herfeldt-Straße, Terwelpstraße, Von-Saarwerden-Straße, Clemens-August-Straße und Theodor-Förster-Straße). Um die rund 140 Haushalte abzuklappern, braucht er drei bis vier Abende mit je 2 bis 3 Stunden, manchmal auch mehr. “Man erreicht nicht jeden beim ersten Mal. Nach dem Sammeln gilt es die Ergebnisse auch noch im PC zur Adresspflege zu erfassen. Adressen und Namen von neu Hinzugezogenen müssen angelegt werden, manche Adressen werden korrigiert. Das ist dann noch mal ein Abend”, erklärt er.
Die meisten der 160 Sammler, die beim St.-Martins-Verein aktiv sind, machen diesen Job schon seit vielen Jahren. Manchmal sogar schon seit Generationen, wie Uli Geub. “Im Bezirk wird seit Mitte der 1960er-Jahren von unserer Familie gesammelt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2007 sammelte mein Vater Fritz zusammen mit seinem Freund Johannes Reimann fast 40 Jahre in dem Bezirk. Die beiden waren eine Institution, was das Martinssammeln anging und bei den Leuten sehr beliebt. Beide hatten gemeinsam in den 1960er Jahren ihre Häuser in dem Viertel gebaut und waren hier fest verwurzelt und mit vielen Nachbarn gut bekannt. Nach dem Tod des Vaters habe ich dann den Bezirk 2007 übernommen und mache das Sammeln mit der gleichen großen Freude, wie es meine beiden Vorgänger immer getan haben. Ich habe jetzt zum 17. Mal gesammelt und es macht jedes Jahr viel Spaß.”
Viele Leute müssen den Gürtel heutzutage enger schnallen. Merkt man das auch an den Spenden? Nein, findet Uli Geub. “Die Spendenbereitschaft ist genauso hoch wie immer, mit Betonung auch hoch. Was St. Martin angeht, sind die Kempener in meinem Bezirk sehr großzügig. Und die Leute freuen sich einen zu treffen und bedanken sich häufig für das Ehrenamt des Sammelns. St. Martin ist in Kempen etwas ganz Besonderes. Das spürt man auch als Sammler an den Türen”.


Das gilt durchaus auch für die Neubürger. Ursel Kozok geht seit 2014 sammeln, und zwar auf einem Teil der Robert-Koch-Straße und in der Bergiusstraße. “Begonnen habe ich, als wir gerade ein gutes Jahr in der „Neuen Stadt“ wohnten und meine Vorgängerin nach 25 Jahren in den „Sammler-Ruhestand“ getreten ist. So war ich jetzt zum 10. Mal unterwegs”, erzählt sie. “Ich bin eine Ur-Kempenerin, die seit ihrem Erden-Dasein noch nie den Martinszug in ihrer Heimatstadt verpasst hat. Diese Begeisterung gebe ich, sobald sich eine Tür öffnet, von Herzen gerne weiter!”
Sie meint: “Die Menschen spenden sehr gern für den schönsten aller Martinszüge. Die älteren, weil deren Kinder bereits mitgezogen sind, die jüngeren, weil sie selbst dabei gewesen sind. Aber auch Menschen, die gar keinen direkten Bezug zum Kempener Martinszug haben, außer, dass sie irgendwann nach Kempen gezogen sind, unterstützen diese schöne Tradition innig. Bis jetzt habe ich jedes Jahr ein wenig mehr als im jeweiligen Vorjahr einsammeln dürfen - das freut mich riesig!”

Zurück

« zurück