Mehr als 6 Milliarden Plastiktüten pro Jahr

Niederrhein im Blick,

Niederrhein. (al) Die Fakten sind erschreckend: In Deutschland werden derzeit laut Umweltbundesamt pro Kopf jährlich 76 Plastiktüten verbraucht, das sind bundesweit jährlich 6,1 Milliarden Tüten, 11.700 Tüten pro Minute. Davon landen etwa 90 Prozent auf Mülldeponien. 100 bis 500 Jahre braucht Plastik bis zum vollständigen Zerfall. Im Gelben Sack könnten Plastiktüten recycelt werden, in Europa trifft dies nicht einmal auf jede zehnte Tüte zu. Die meisten werden achtlos weggeworfen, landen als Müllsack im Hausmüll und werden verbrannt. Eine Richtlinie der EU vom April 2015 verpflichtet die Bundesregierung, den Verbrauch von Plastiktüten deutlich zu reduzieren. Das Ziel ab 2026: 40 Stück pro Einwohner! Markus Ottersbach, Geschäftsführer des Einzelhandel- und Dienstleistungs- verbands Krefeld-Kempen-Viersen sagt: „Eine freiwillige Selbstverpflichtung, die zum 1. April in Kraft tritt, hat das Ziel, einer gesetzlichen Regelung zuvorzukommen. Sie sieht vor, dass Kunststofftragetaschen nur noch gegen Gebühr an die Kunden abgegeben werden. Ausgenommen sind die so genannten Knotenbeutel, die zum Beispiel für Obst und Gemüse genutzt werden. 80 Unternehmen sind bereits mit im Boot, wir informieren regelmäßig die Betreffenden und beraten umfassend. Endziel ist, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre 80 Prozent des Gesamtvolumens der Plastiktüten der freiwilligen Bezahlpflicht unterliegen. So könnte eine gesetzliche Regelung umgangen werden, wobei der Vorteil klar auf der Hand liegt: Das freiwillig eingenommene Geld verbleibt im Handel und fließt nicht in den Bundeshaushalt." NiB wollte wissen, ob sich der örtliche Handel mit dem Thema Selbstverpflichtung und dem Kampf gegen den Plastikmüll beschäftigt und fragte nach. Hans-Joachim Zielke, Geschäftsführer des REWE-Marktes in St. Tönis, verweist an die Zentrale in Köln. Dort teilt Thomas Bonrath, Pressesprecher der REWE-Group, mit: „Bereits seit vielen Jahren geben wir Tragetaschen nur noch gegen Gebühr an unsere Kunden ab und zwar in Materialstärken, die eine Mehrfachnutzung anbieten. Zu erwerben gibt es bei uns Papiertüten, Pappkartons, Baumwolltaschen, Tragetaschen für Tiefkühlprodukte und Permanent-Tragetaschen, allesamt aus Recy-clingmaterial hergestellt. Wir unterstützen somit die freiwillige Selbstverpflichtung des Handelsverbands Deut-schland mit dem Bundesumweltministerium. Konkrete Zahlen bezüglich des Tütenverkaufs in den Märkten St. Tönis oder Vorst lassen sich leider nicht ermit- teln oder nennen." Im BAUHAUS Krefeld, Untergath, gibt es kleine Tragetaschen (3 l) momentan noch kostenfrei, weitere seit November 2015 nur noch ge-gen Gebühr. Warenwirt- schaftsassistent Patrick Mischke betont, dass der Verkauf von Tüten reiner Service ist, kein Geschäft: „Die Gebühr - 10 und 25 Cent - wurde eingeführt, um zu vermeiden, dass jedermann Tüten nimmt und damit der Umwelt schadet. Insgesamt rund 760 Plastiktüten von 10 und 25 Litern verkaufen wir monatlich, die kostenlosen kleinen Tragetaschen sind mengenmäßig nicht zu erfassen." Stefan Robben, Inhaber des gleichnamigen Herrenmodegeschäft in St. Tönis und Vorsitzender vom dortigen Werberings berichtet: „Bei mir gibt es Plastiktüten noch kostenfrei, schätzungsweise gehen rund 10.000 Stück pro Jahr hier über meinen Ladentisch. Das kostet mich pro Tüte, dreierlei habe ich, bei einer Mischkalkulation rund 20 Cent pro Stück. Von meinen Händlern erhalte ich aber auch Papiertüten, sogenannte Werbeträger, jähr-lich circa 500 an der Zahl." Robben hat, seiner Meinung nach, gute Gründe, keine Gebühr für Plastik zu verlangen: „Wenn jemand beispielsweise eine teure Jacke bei mir kauft, kann ich ihm doch nicht noch zusätzlich Geld für die Tüte dazu abknöpfen. Außerdem ist meine Ware oft schwer, muss also gut und stabil verpackt werden. Mir fällt aber auf, dass viel Kunden ihre eigenen Taschen dabei haben und auch schon mal die Tüten von ihrem letzten Einkauf bei mir mit- bzw. zurückbringen". ´ Michaela Pickartz, Inhaberin von Pickartz Fashion, packt ihren Kunden in ihrem Geschäft in St. Tönis, Wirichs Jätzke 2, die gekaufte Ware grundsätzlich nur in Papier ein und hat dafür ihre Gründe: „Erstens aus Liebe zur Umwelt und außerdem sehen diese Papiertaschen wertiger aus. Ich biete Markenware, die packt man nicht in Plastik, das passt für mich nicht zusammen. Die Taschen sind wiederverwertbar, dank einer Beschichtung stabil und halten somit auch Schweres aus. Viele Kunden sammeln und bringen sie mir zurück. Im Jahr gebe ich rund 2000 Papiertaschen an meine Kunden kostenfrei ab, wobei mein Kostenanteil pro Stück bei 70 Cent liegt." Die Drogeriemarktkette DM ist in Sachen Umweltschutz sehr engagiert. Florian Beurer, stellvertretender Leiter der Geschäftsstelle in St. Tönis, Hochstraße 25, erklärt: „Wir haben bereits seit Oktober 2014 keine kleinen kostenfreien Plastiktütchen mehr, nach einer rund dreimonatigen Testphase. Bei uns gehen monatlich rund 160 Baumwolltaschen über den Counter, pro Stück 2 Euro. Das ist Pfand: Die Tasche kann behalten, in andere Farben umgetauscht oder zurückgegeben werden. Wir bieten stets neue trendige Farben an. Die zurückgegebenen Taschen landen bei uns nicht im Müll. Sie werden gesammelt und beispielsweise an Behindertenwerkstätten zur weiteren Verarbeitung abgegeben. So entstehen unter anderem Maler- oder Putzlappen. Die Taschen stammen aus kontrolliert biologischem Anbau und sind Fair Trade hergestellt. Neben diesen Biotaschen stehen diverse Pergament, Plastik- und Papiertragetaschen zum Verkauf." Und auch Rossmann zieht in Sachen Umweltschutz nach: Seit Januar findet man in St. Tönis dort keine Umsonst-Plastiktütchen mehr an den Kassen. Papier- und Baumwolltaschen sind dort allerdings nicht zu erwerben, dafür Plastiktüten in diversen Größen. Buchhändler Günter Wielpütz von der St. Töniser Buchhandlung hat täglich einen Verbrauch von rund 30 Plastik- und ungefähr 55 Papiertaschen, kostenfrei für seine Kunden. Die Plastiktüten sind weiß und ohne Aufdruck, das sei die kostengünstigste Variante. Wielpütz möchte grundsätzlich ganz weg vom Plastik und betont: „Ungefragt geben wir stets Papiertüten raus, doch oft wird explizit nach Plastik gefragt, gerade bei nassem Wetter. Außerdem bieten wir hübsche, wiederverwendbare Baumwolltaschen gegen ein kleines Entgelt an." Und auch an der Jugend geht das Thema „Umweltfreundliche Verpackung" keineswegs vorbei. Das beweist bereits seit Anfang November 2015 ein Projekt der Liebfrauenschule Mülhausen. Ole Osborg-Schmitz, Leon Otto und 18 weitere Teilnehmer des Wirtschaftskurses der Klasse 9 gründeten im Rahmen des Wahlpflichtfachs Wirtschaft eine Schülerfirma, samt Marketing-, Finanz- und Produktionsabteilung. Diese bietet individuell verzierte Baumwolltaschen ab 4 Euro an, als Alternative zur umweltschädlichen Einmaltragetasche. Bereits in den ersten zwei Monaten fanden 122 Taschen neue Be-sitzer. Osborg-Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Schülerfirma C-Imprint, verkündet: „Wir finden, dass dies zu dem höchst brisanten Thema, der Verschmutzung unserer Umwelt und Gewässer, wie auch dem Rhein, durch (Mikro-) Plastik, passt." 

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