Immer höhere Steuern sind nicht der richtige Weg

Niederrhein im Blick,

Niederrhein. Kempen erzielt überdurchschnittlich hohe Steuereinnahmen und hat in den vergangenen Jahren günstigere Jahresergebnisse als vergleichbare Kommunen erzielt. Dennoch addierten sich die Jahresfehlbeträge der Jahre 2009 bis 2014 auf mehr als fünf Millionen Euro. Auch Tönisvorst befindet sich in einer angespannten Finanzlage. Von 2006 bis 2014 verbrauchte die Stadt knapp 24 Millionen Euro ihres Eigenkapitals. Dies entspricht einem Anteil von 18 Prozent. So lauten wesentliche Ergebnisse einer Studie des Rheinisch-Westfälischen-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zur Lage der Kommunalfinanzen in der Region. Das Institut hat im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein die Haushaltssituation der Städte und Gemeinden des IHK-Bezirks mit der Finanzsituation von Kommunen ähnlicher Größe und Struktur verglichen.
Die Stadt Kempen ist aus Sicht der IHK ein gutes Beispiel dafür, dass sich hinsichtlich der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen etwas ändern muss. „Die Kommune verfügt über hohe Steuereinnahmen, erreicht bessere Jahresergebnisse als die Städte ähnlicher Größe und Struktur und hat eine günstige Sozialstruktur. Trotzdem gelingt der Haushaltsausgleich nicht", bilanziert IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz. Gleichwohl zeigt die RWI-Analyse, dass die Probleme mitunter auch hausgemacht seien. „Die Primärausgaben je Einwohner sind höher als in allen anderen 16 Kommunen in der Vergleichsgruppe", erklärt RWI-Experte Döhrn. Insbesondere die Personalausgaben seien auf einem hohen Niveau. „Uns besorgt, dass immer mehr Kommunen versuchen, über höhere Steuern ihre Haushalte auszugleichen", erklärt Steinmetz. Kempen hat seit 2010 die Gewerbesteuer um 7,3 Prozent und die Grundsteuer um 10 Prozent erhöht. „Die Region hat in den vergangenen Jahren durch die Vielzahl an Steuererhöhungen an Attraktivität eingebüßt", so der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Von 1991 bis 2014 wurde die Gewerbesteuer am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt um 9,5 Prozent erhöht, die Grundsteuer um 33 Prozent. In Tönisvorst sind die Steuereinnahmen im Vergleich zu Kommunen ähnlicher Größe und Struktur wie Erkrath oder Geilenkirchen nur unterdurchschnittlich hoch. Das Grundproblem der Tönisvorster Finanzlage besteht nach Analyse des RWI darin, dass die Aufwendungen schneller wachsen als die Erträge. „Verantwortlich hierfür sind insbesondere die Transfer- und Personalkosten. Hier muss für eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung etwas geschehen", erläutert Döhrn. Die zum Jahr 2016 beschlossenen Steuererhöhungen sind laut RWI nicht die Lösung. „Nachhaltiger ist es, die Steuerbasis durch eine attraktive Standortpolitik zu stärken", erklärt der RWI-Experten. Tönisvorst hat seit dem Jahr 2010 den Grundsteuerhebesatz um 31 Prozent und den Gewerbesteuerhebesatz um 18 Prozent erhöht. Prekär ist nach Ansicht der Gutachter die Finanzlage der Gemeinde Grefrath. Die Gemeinde musste seit 2009 ein Viertel ihres Eigenkapitals einsetzen, um Jahresfehlbeträge auszugleichen. Dies entspricht einem Eigenkapitalverlust von 16 Millionen Euro. Dies sei auf die unterdurchschnittliche Steuerkraft zurückzuführen. „Verantwortlich hierfür ist unter anderem das niedrige und zuletzt sinkende Gewerbesteueraufkommen", erklärt Döhrn. Und das obwohl Grefrath die Gewerbesteuer im Jahr 2015 um 5,8 Prozent erhöht hat. Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Entwicklung besorgniserregend: „Für die regionale Wirtschaft sind Kommunen mit einer soliden Finanzlage sehr wichtig", sagt Friedrich Wilhelm Scholz, Vizepräsident der IHK Mittlerer Niederrhein. „Schließlich können Städte und Gemeinden mit defizitären Haushalten und hohen Schulden nicht die notwendigen Investitionen für die Zukunft finanzieren." Steuererhöhungen könnten zwar kurzfristig für Liquidität sorgen, langfristig haben sie aber eine negative Wirkung. „Ansiedlungsinteressierte Unternehmen entscheiden sich für Standorte mit niedrigen Steuersätzen", erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz. „Dauerhaft höhere Steuereinnahmen erzielen Kommunen, die eine vorausschauende Flächenpolitik betreiben und günstige Voraussetzungen für Ansiedlungen schaffen. Das gilt insbesondere für Städte mit sinkender Steuerkraft und rückläufiger Beschäftigtenzahl." Die Studie steht zum Download unter www.mittlerer-niederrhein.ihk. de/7054 bereit. 

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