Einzelhandel vor Ort ist sich seiner Stärken bewusst

Niederrhein im Blick,

Während sich der Einzelhandel normalerweise um den immer größer werdenden Anteil des Online-Shoppings sorgt, kommt der Einzelhandelsverband Krefeld-Kempen-Viersen zu einer überraschenden Bewertung: Zwar werden inzwischen etwa 8 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes per Internet getätigt, aber die Grenzen zwischen dem Online-Handel und Einzelhandel vor Ort verschmelzen. Geschäfte kommen nicht mehr ohne Internet-Präsenz aus und klassische Online-Händler hätten erkannt, dass sie den persönlichen Kontakt zum Kunden brauchen und eröffnen Ladenlokale. Der Kunde sei immer stärker auf mehreren Kanälen unterwegs, so der Einzelhandelsverband. Stimmt das?, fragte NiB einige Händler vor Ort.

Ulrich Weckauf, einer der beiden Inhaber von EP Brings & Weckauf in St. Tönis, gibt zu, dass das Internet den stationären Handel sicherlich stark beeinflusst. „Das Internet boomt, da auch kostenloses Hin- und Herschicken geboten wird. Würden Versandkosten anfallen, sähe die Sache bestimmt anders aus. Internet bietet meist Ware zum Einkaufspreis, aber ohne jeglichen Service. Mit letzterem argumentieren wir. Mit im Internet bestellter Ware wird man alleingelassen und muss sich kümmern. Unsere Kunden wünschen Service, den sie bei uns auch bestmöglich erhalten." So bietet Brings & Weckauf u. a. Liefer- und Montageservice, Leihgeräte und Tarifberatungen. Die Homepage präsentiert sich mit dem Slogan „Unser Service macht den Unterschied" als Infoseite mit wechselnden Sonderangeboten. Im Laden kann die sogenannte „braune Ware" dann gesichtet, ausprobiert und nach fachlicher Beratung erworben werden. Alles aus dem Bereich Elektronik und Telekommunikation, hochwertige Produkte namhafter Hersteller und das schon seit 33 Jahren in St. Tönis.

Jürgen Trunke, seit 20 Jahren mit seinem Geschäft SP Trunke Electronic in Kempen auf der Kuhstraße, fühlt sich durch das Internet keineswegs beeinflusst. „Wir sind ein stark serviceorientiertes Unternehmen und bieten Rundumversorgung: Der Kunde bittet uns vor Ort die Situation anzusehen, wir beraten, er kauft, wir schließen an, helfen mit der Bedienung und kommen gerne noch ein zweites oder drittes Mal. Das wird von den Kunden sehr geschätzt. Vor allem ältere Leute und die, die es sich leisten können, nutzen unsere Dienste", so der Informationstechnikermeister. Trunke bietet ein kleines feines Sortiment der klassischen Unterhaltungselektronik, hauptsächlich Fernseher und Stereoanlagen und hat sich auf Firmen spezialisiert, die ihrerseits auch sehr viel Service bieten und geben.

„Dinge, die sich schnell mal im Internet bestellen lassen, führen wir nicht. Sicherlich verfügen wir auch über eine Homepage, aber nur als reine Darstellung, wir bieten keinen Shop."

Ebenfalls stark betroffen vom Online-Handel ist der Buchhandel. Auch bei uns vor Ort? Dirk Lewejohann leitet seit fünf Jahren die Thomas Buchhandlung in der Burgstraße in Kempen. „Die Umsätze im Buchhandel sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen, nicht umsonst haben viele Geschäfte geschlossen. Meiner Meinung nach liegt das aber nicht daran, dass weniger gelesen wird. Sicherlich beeinflusst das Internet, das ist aber nicht in Zahlen greifbar. Amazon zum Beispiel setzt enorme Stückzahlen von Büchern ab", so Lewehohann. Der Buchhändler betont, dass ein Buchpreis vom Verband vorgegeben ist, an den man sich halten muss.
Auch im Internet kostet z.B. ein medizinisches Fachbuch 198 Euro und nicht weniger. Lewejohann: „Bei uns im Laden oder über unseren Online-Shop bezahlt man ganz genau so viel wie im Internet. Es gibt auch Sonderangebote, diese wurden aber meist einige Male hin- und hergeschickt und weisen kleine Fehler auf. Da ist dann z.B. ein Stempel an der falschen Stelle. So etwas darf dann reduziert werden." Im Internet ist Lewejohann mit einer professionellen Homepage vertreten, die vom Großhändler gepflegt wird.

Buchhändler Karl Gross führt die Grefrather Buchhandlung seit 20 Jahren auf der Hohen Straße in Grefrath und zeigt sich sehr zufrieden. „Das Internet scha- det uns nicht wirklich, sondern hilft sogar. Viele erkundigen sich zum Beispiel bei Amazon und wissen dann schon genau, was sie wollen." Gross erfreut sich zahlreicher Stammkunden, um die er sich verstärkt kümmert. Schade findet er, „dass junge Leute uns oft nur kontaktieren, wenn etwas im Internet nicht lieferbar ist oder vielleicht das Amazonkonto gerade nicht funktioniert". Gross verfügt über eine Homepage, die er auch selbst pflegt. „Hauptsächlich wegen unserer Kultur am Montag, die wir seit 12 Jahren anbieten. Das ist übrigens die beste Werbung für unsere Buchhandlung. Ich wehre mich strikt gegen einen Online-Shop mit Warenkorb, obwohl das der Dachverband der Buchhändler in Frankfurt immer wieder empfiehlt. Aus Überzeugung biete ich auch keine E-Books und E-Book-Reader an. Meine Bücher soll man anfassen und vor dem Kauf mit kritischen Augen betrachten können. Wir werden weiter in der Nische überleben, trotz heftiger Turbulenzen, die den gesamten Einzelhandel erschüttern."

Online-Handel: Branchen unterschiedlich betroffen

Der Anteil des Online-Shopping am Gesamthandelsumsatz hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Allerdings, so argumentiert der Einzelhandelsverband Krefeld-Kempen-Viersen, seien hohe Zuwachsraten bei etwas, das es früher nicht gab nicht überraschend. Die Einzelhandelsbranchen sind sehr unterschiedlich von dieser Entwicklung betroffen.

Zum Beispiel ist der Onlineumsatz im Lebensmitteleinzelhandel derzeit noch nicht von besonderer Relevanz. Im Bereich Bekleidung und Accessoires ist der Anteil des Online-Umsatzes am Branchenumsatz in den vergangenen fünf Jahren von 5 auf 17 Prozent angestiegen, im Bereich Elektronik von 8 auf 17 Prozent und bei Büro- und Schreibwaren von 5 auf 15 Prozent, so die Zahlen des Verbandes. Umgesetzt werden vornehmlich Standardartikel, wohingegen der stationäre Handel mit speziellen Produkten, einer größeren Auswahl, Beratung und Service ein umfassenderes Angebot bietet. Online-Händler haben zusätzlich mit hohen Retourquoten zu tun, die einen Kostenfaktor darstellen, der viele Anbieter noch defizitär arbeiten lässt.

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