„Altstadtkneipen sind gewachsene Kultur“

Niederrhein im Blick,

Kempen. Wenn in den Touristenbroschüren die Rede ist von einer lebendigen Altstadt, wo sich an Sommerabenden ganze Heerscharen von Gästen zum Chillen treffen, vergisst man leicht, dass in besagter Altstadt auch Leute wohnen, die am Abend am liebsten eines haben wollen - ihre Ruhe nämlich. Bis vor zwei Jahren ging das (in aller Regel) gut, doch dann kam das Nichtraucherschutzgesetz und damit die Probleme. Seit die Gäste vor die Tür gehen müssen zum Rauchen, häufen sich die Beschwerden von Anwohnern. Für die Gastronomen - nicht nur in Kempen, aber auch in Kempen - entsteht daraus eine existenzbedrohende Situation.
Armin Horst, Inhaber vom „Treppchen", weiß aus langjähriger Erfahrung: „Seit das Nichtraucherschutzgesetz gilt, ist der ProKopf-Umsatz gesunken, denn die Leute stehen draußen und rauchen und trinken weniger als früher". Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern müssen sich die Wirte was einfallen lassen: Bei Armin Horst war das ein Livemusik-Abend, der einmal im Monat stattfinden sollte. „Das hat auch hervorragend funktioniert", erinnert er sich, die Kneipe war voll, die Kundschaft bester Laune, die Umsätze stimmten. Trotzdem: nach 3 Mal war Schluss damit, der Livemusik-Abend wurde gecancelt.
Was war passiert? Armin Horst: „Das Ordnungsamt rief an, einige Anwohner hätten sich beschwert". Die Stadtverwaltung Kempen bestätigt: „Seit Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes hat sich die Anzahl der Beschwerden von Anwohnern in der Alttadt deutlich erhöht", so Stadtpressesprecher Christoph Dellmans.
Früher, so erklärt Armin Horst, habe er dafür sorgen können, dass die Nachbarn auch bei Livemusik-Abenden und vollem Haus nicht über Gebühr strapaziert wurden. Doch was nutzt die perfekt schallgedämmte Fassade, was nutzt der beste Raucherbereich im Innenhof, wenn die Gäste lieber draußen auf der Ellenstraße stehen. "Ich stelle abends zwei Leute dafür ab. Der eine steht an der Tür und bittet die Gäste, doch lieber nach hinten in den Innenhof zu gehen, und sorgt dafür, dass keine Getränke mit rausgenommen werden. Und für diejenigen, die doch auf die Straße wollen, steht noch ein weiterer Mitarbeiter bereit, der schnell die Türen wieder schließt und draußen um Ruhe bittet und um Rücksichtnahme auf die Nachbarn".
Doch allzu oft hört er dann Sprüche wie "Ich steh doch hier auf öffentlichem Grund und Boden, Du hast mir gar nichts zu sagen" Oder: "Ich bin doch gar nicht Dein Gast, sondern schon (fast) auf dem Heimweg". "Dagegen sind wir machtlos", bringt es Horst auf den Punkt.
Es ärgert ihn, dass manche Anwohner nur allzu gern dem Wirt die Schuld in die Schuhe schieben, wenn's mal laut ist draußen. So ist er schon mal nachts um 3 Uhr aus dem Schlaf gerissen worden von einem bitterbösen Anrufer, obwohl im "Treppchen" schon über zwei Stunden alles still und dunkel war. "Irgendwer auf der Ellenstraße feierte eine Privatparty, aber schuld sollten wir mal wieder sein..."
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigt, dass wenn aus solchen Scharmützeln gerichtliche Auseinandersetzungen erwachsen, meist der Gastronom den Kürzeren zieht. Das mag den Ruhesuchenden zunächst erfreuen, doch schlussendlich bedeutet das leere Kneipen, Schließungen, "eine verwaiste Geisterstadt", mit der auch die Touristenbroschüren nicht mehr punkten können.
Armin Horst ist fest davon überzeugt, dass auch die Beschwerdeführer das nicht wollen. "Schließlich gehören die Altstadtkneipen doch zu Kempen. Das Treppchen gibt es immerhin schon seit 35 Jahren. Mit ein bisschen gutem Willen und gegenseitiger Toleranz müsste es doch möglich sein, dieses Stück gewachsener Kultur zu erhalten". 

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